20. Mai 2021

Nach Corona ist vor der Verkehrswende

Die Covid-19-Pandemie geht, die Notwendigkeit der Verkehrswende bleibt. Die Verkehrsunternehmen des ÖPNV stehen dabei in der Pole-Position – müssen sich aber auf einen grundlegenden Wandel einlassen.

Von Martin Timmann*

Durch die Pandemie und den durch das massenhafte Home Office entspannteren Verkehrsfluss ist es beinahe in Vergessenheit geraten: Deutschland braucht dringend eine Verkehrswende. Unsere Städte standen vor der Covid-19-Pandemie kurz vor dem Verkehrskollaps. Und nach dem Ende der Krise wird dieser Zustand ganz schnell zurückkehren. Gefragt sind deshalb Mobilitätsangebote, die so attraktiv sind, dass die Menschen dafür ihre PKWs so oft wie möglich stehen lassen.

Neue Mobilitätsformen gibt es bereits zuhauf – sie erstrecken sich von Leihfahrrädern über Elektro-Scooter hin zum Car Sharing. Die große Herausforderung ist es aber, alle diese neuen Formen mit den klassischen Verkehrsmitteln zu kombinieren und so zu orchestrieren, dass sie die individuellen Anforderungen der Fahrgäste gezielt bedienen können. Heute eigenes Auto, morgen ÖPNV und Taxi, übermorgen Ride Hailing, Leihfahrrad oder E-Scooter: Abhängig von Ort, Zeit und der jeweiligen Situation, vom Wetter oder von der eigenen Lust und Laune wollen die Menschen heute unterschiedliche Mobilitätsformen zu multi- oder intermodalen Reiseketten verknüpfen.

Die Schlüsselrolle können dabei die Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs spielen. Sie verfügen bereits über den Zugang zum Kunden – und damit auch über die Möglichkeit, ihnen die gewünschte Mobilität aus einer Hand anzubieten. Dafür braucht es aber eine andere Einstellung der Verkehrsunternehmen. Sie müssen sich wandeln. Vom Anbieter von Bus- und Bahnverkehr zum Orchestrator der neuen Mobilität; vom klassischen Verkehrsunternehmen zum kunden- und serviceorientierten Dienstleister.

Und es braucht Digitalisierung. Ohne leistungsfähige moderne IT können Verkehrsunternehmen die komplexe individuelle Orchestrierung der unterschiedlichen Mobilitätsformen nicht bewerkstelligen. Eine geeignete Mobilitätsplattform kann ihnen dabei helfen, alle beteiligten Prozesse und Systeme im Hintergrund zu steuern und Informationen in Echtzeit zu verarbeiten. Den zentralen Zugriff auf sämtliche Angebote ermöglicht eine solche Plattform über diverse digitale Zugänge. Dazu zählen etwa mobile Apps, Smartwatches und Online-Portale, aber auch die Navigationssysteme von PKWs. Auf diese Weise erreichen Verkehrsunternehmen ihre verschiedenen Zielgruppen genau auf den Kanälen, die von ihnen präferiert werden.

Über diese Kanäle können Kunden alle Angebote passend zum jeweiligen Anlass kombinieren, routen, ganzheitlich buchen und mit einer einzigen Rechnung bezahlen. Dabei unterstützt die Plattform alle Zahlungsarten von der Lastschrift über die Kreditkarte bis zu PayPal oder Google Pay und Apple Pay. Damit haben Kunden die Freiheit zu entscheiden, wie sie ihre Tickets bezahlen möchten. Als zusätzlichen Service können Verkehrsunternehmen auch mobilitätsnahe Dienstleistungen wie Stromtanken oder Parken ebenso integrieren wie Freizeitangebote, seien es Schwimmbäder, Theater oder Museen. Dann haben Kunden sogar die Möglichkeit, den Park-and-Ride-Parkplatz, die Weiterfahrt mit dem Bus bis zum Theater und auch gleich die Eintrittskarte für die gewünschte Vorstellung in einem Rutsch zu kaufen.

Das Ende der Pandemie ist absehbar. Die Verkehrswende steht noch am Anfang. Die Digitalisierung des ÖPNV wird darüber mitentscheiden, wie schnell sie kommt und wie erfolgreich sie ist.

*Martin Timmann ist Geschäftsführer von HanseCom

Ein aktuelles Interview mit dem Autor zum Thema Neue Mobilität steht als Video bereit.